ex-trem normal hauen auf den putz
von samuel mumenthaler im buch "50 jahre berner rock"
«Lieber gut klauen als schlecht komponieren» war ein Bonmot, das Polo Hofer zum Besten gab, wenn man ihn auf die Kunst des Songwritings ansprach. «Lieber eine gute Schlagzeugmaschine als ein schlechter Schlagzeuger», konterte DÄNU EXTREM alias Daniel Rohrer und zeigte damit auch an, dass er gekommen war, um die leicht saturierte Berner Rockszene der frühen 1980er-jahre neu aufzumischen. Ehrfurcht vor den Gesetzen des Rock war nicht Dänus Ding: auf selbst kopierten Kassettchen mit dem Titel «no business» zirpten die Casio-Örgeli und wummerten die synthetischen Drums. «es hat mich schon immer fasziniert, allein möglichst viel Lärm zu machen», sagt DÄNU EXTREM. Er benutzte die neue Heimtechnologie, um aus seinem vorübergehenden Exil im Tessin, wo er sich als Kleiderverkäufer über Wasser hielt, ein paar Liebesgrüsse in die Heimatstadt zu verschicken. Dänu war ein Alleinunternehmer mit Freakvergangenheit, der sich die Selfmade-attitüde der Punkgeneration und deren herausfordernden Humor angeeignet hatte: «e gruess a d’ stilz, e gruess a d’spän, die vo bärn hei dr rock’n’roll so gärn», sang er mit seltsam schläfrigem, nasalem Akzent. Es war klar, dass da noch etwas auf Bern zukommen würde.
Sein Handwerk hatte DÄNU EXTREM von der Pike auf gelernt. Im Musikhaus Bestgen absolvierte er eine Lehre als Musikalienverkäufer und war am Berner Jazzfestival als Livemischer gefragt. «ich stand auf Blues und Jazz», sagt er, «als Gitarrist bewunderte ich leute wie Eric Clapton, Frank Zappa und all die Bluesrockgruppen der Zeit.» Von diesem traditionellen Musikgeschmack bekam allerdings kaum etwas mit, wer von Dänus neuer berner Welle überspült wurde. «Mein damaliges Verhältnis zum Musikbusiness war unkonventionell bis extrem», sagt er. «Doch dann wurden wir von der Musikindustrie entdeckt, und alles wurde normal. Also nannte ich mein Projekt Ex-trem Normal.» Der damals 23-jährige war inzwischen mit Gitarre, Kind und Kegel wieder in Bern aufgetaucht und hatte im Sinus Studio ein Demo eingespielt. Er hatte sich mit seinem drummenden Bruder Paco Calypso und Bassist Renato Macghetty zu einer Band zusammengetan, deren Ziel die «verunsicherung der schweizer Musikszene» war.
Das «Taschen-Trio» war frisch und unverbraucht und spielte seine «Subito-Gigs» ohne grossen technischen Aufwand auf der Strasse, in Kneipen, Cafés und Jugendzentren. Man stellte die Anlage in rekordzeit auf und verschwand ebenso schnell, wenn die Polizei anrückte. Die Zeit war reif für eine Erfrischung: zuerst stieg Radio drs auf Dänus Extremismus ein, dann der Journalist Christian Eggenberger, der mit seinem «Mundartrock-Festival» im berner Kursaal eine Lanze für die Renaissance des Mundartrock brach – nicht ganz ohne Erfolg, wie man nachträglich weiss. Schliesslich erhielten EX-TREM NORMAL auch den Plattenvertrag, für den die rastlosen Liveaktivitäten eigentlich Mittel zum Zweck gewesen waren: «die Liveauftritte waren okay», sagt DÄNU EXTREM, «was für mich aber vor Allem zählte, war die Studioarbeit als Produkt, das immer wieder abrufbar ist.»
«welcome in schwitzerländ» hiess die erste LP, ein respektloses Stück Musik, irgendwo zwischen Rock und Cabaret, ein Billigprodukt mit Hitpotenzial. «Wir wollten Schlager spielen, und heraus kam Punk», sagt DÄNU EXTREM in Anspielung auf die eher limitierten Fähigkeiten der Band, die aber gerade den Charme des Debüts ausmachten. EX-TREM NORMAL spotteten, ohne zu beissen, und sangen in Liedern wie «Warum? (es Bitzli Glück)» über die Sachzwänge des modernen Lebens – ein Song, der seine Aktualität behalten hat. Dass er nicht auf den Segen der berner Szenegötter angewiesen war, betonte EXTREM im Song «Platte mache?»: «I sueche e Platte u lege se uf / em Polo sys Gequassel regt mi uf / i hautes knapp e haubi Stung us / u wünsche mer es gäb mau öppis Neuis.» Genau besehen waren EX-TREM NORMAL aber ziemlich nah bei den Hippies, denen man gern ans Bein pinkelte: man zog mindestens ebenso kräftig an den Joints wie die Altvorderen und legte musikalisch einfach mal los. DÄNU EXTREM liess sich gar als Politiker aufstellen, er kandidierte als «Hugo Niemer» für die damals noch existierende POCH. Dort plädierte er für ein ganzheitliches Bewusstsein, die Dezentralisierung der Macht und spirituelles Wachstum – bei den «Härdlütli« hatte man das auch schon gehört. Der vom «Subito Gig Mänätschmänt» geführte Wahlkampf führte nicht ins Bundeshaus. Oder war das ganze etwa nur ein Gag?
Im Trio lebte es sich nicht spannungsfrei. «Ich war der Diktator», sagt DÄNU EXTREM, «die Demokratie einer Band mit ihren urschweizerischen Kompromissen war mir zu normal. Auf der anderen Seite widerstrebte es mir, als Chef das Arschloch zu spielen.»
1983 lernte EXTREM im Tv-Studio Nina Hagen kennen – es ergab sich ein «Techtelmechtel», weil der Berner nicht in den allgemeinen Bewunderungskanon einstimmte, sondern die Hagen behandelte wie eine Kollegin. Das gefiel dem Star.
DÄNU EXTREM begleitete Nina Nagen auf Tour und rappte mit ihr auf berndeutsch einen Song. «Ich wollte das nicht ausschlachten», sagt er, «und dafür lernen, was es zu lernen gab. Nach einem Konzert in Nyon fragte Hagen im Hotel nach einem Joint. doch das Management blieb hart: ‹es gibt Nichts zu kiffen, du hast heute zwei Songs verpatzt.› Schliesslich mussten wir uns den Joint auf dem Zeltplatz von irgendwelchen Freaks erbetteln. Auch ein Star wie Nina blieb eine Marionette des Managements und der Musikindustrie. Das hiess für mich: lieber im Hintergrund etwas Gutes machen, wo man nicht so exponiert ist.»
Ende der Achtzigerjahre verabschiedete sich DÄNU EXTREM richtung Dänemark. «Ich konnte nie verstehen, wie man zufrieden sein kann damit, ein grosser Hecht im kleinen Teich zu sein», sagt der Weitgereiste. «Ich fand es spannender, als kleiner Fisch im grossen Meer zu schwimmen.» Mit einer professionellen dänischen Big Band war er nun in ganz Europa unterwegs, den tausendsten Gig spielte er Ende 1989 im damaligen Leningrad, wo die Volksdeputierten seine berndeutschen Songs mitgrölten. Vorher hatte er mit dem song «Bern» wieder mal einen zwiespältigen Liebesgruss nach Hause geschickt: «ja si sy so lieb u fründlech z’Bärn / eso ufgstellt u agstellt z’Bärn / si sy so rück- und aständig z’Bärn / nei Bärn, i ha dy nümme gärn.» Doch da waren auch andere Zeilen: «Bärn, o we du my vergissisch, i vergisse dy nie.»
Im Jahr 1990 kehrte DÄNU EXTREM in die Schweiz zurück. Heute lebt er in Basel, wo er das DEXMUSIC Studio betreibt und sich in Subito-Gig-Manier als Konzertveranstalter und Filmproduzent betätigt. Musikalisch ist DÄNU EXTREM immer noch aktiv, eben hat er mit Balts Nill ein Remake von «welcome in schwitzerländ» eingespielt. Und da war sein Beitrag für eine Tribut-CD an Polo Hofer, die es schliesslich nicht aufs fertige Produkt schaffte. Über die Gründe lässt sich nur werweissen. Fest steht, was das einstige Enfant terrible der berner Szene in seiner Reggaeversion des Rumpelstilz-Hits «Muschle» sang: «wen i dr Polo wär, de wär i immer zue.» einfach normal geworden ist DÄNU EXTREM nicht.
Mit freundlicher Genehmigung des Zytgloggen Verlags und des Autoren © Zytgloggen/Berner Zeitung 2009
«Lieber gut klauen als schlecht komponieren» war ein Bonmot, das Polo Hofer zum Besten gab, wenn man ihn auf die Kunst des Songwritings ansprach. «Lieber eine gute Schlagzeugmaschine als ein schlechter Schlagzeuger», konterte DÄNU EXTREM alias Daniel Rohrer und zeigte damit auch an, dass er gekommen war, um die leicht saturierte Berner Rockszene der frühen 1980er-jahre neu aufzumischen. Ehrfurcht vor den Gesetzen des Rock war nicht Dänus Ding: auf selbst kopierten Kassettchen mit dem Titel «no business» zirpten die Casio-Örgeli und wummerten die synthetischen Drums. «es hat mich schon immer fasziniert, allein möglichst viel Lärm zu machen», sagt DÄNU EXTREM. Er benutzte die neue Heimtechnologie, um aus seinem vorübergehenden Exil im Tessin, wo er sich als Kleiderverkäufer über Wasser hielt, ein paar Liebesgrüsse in die Heimatstadt zu verschicken. Dänu war ein Alleinunternehmer mit Freakvergangenheit, der sich die Selfmade-attitüde der Punkgeneration und deren herausfordernden Humor angeeignet hatte: «e gruess a d’ stilz, e gruess a d’spän, die vo bärn hei dr rock’n’roll so gärn», sang er mit seltsam schläfrigem, nasalem Akzent. Es war klar, dass da noch etwas auf Bern zukommen würde.
Sein Handwerk hatte DÄNU EXTREM von der Pike auf gelernt. Im Musikhaus Bestgen absolvierte er eine Lehre als Musikalienverkäufer und war am Berner Jazzfestival als Livemischer gefragt. «ich stand auf Blues und Jazz», sagt er, «als Gitarrist bewunderte ich leute wie Eric Clapton, Frank Zappa und all die Bluesrockgruppen der Zeit.» Von diesem traditionellen Musikgeschmack bekam allerdings kaum etwas mit, wer von Dänus neuer berner Welle überspült wurde. «Mein damaliges Verhältnis zum Musikbusiness war unkonventionell bis extrem», sagt er. «Doch dann wurden wir von der Musikindustrie entdeckt, und alles wurde normal. Also nannte ich mein Projekt Ex-trem Normal.» Der damals 23-jährige war inzwischen mit Gitarre, Kind und Kegel wieder in Bern aufgetaucht und hatte im Sinus Studio ein Demo eingespielt. Er hatte sich mit seinem drummenden Bruder Paco Calypso und Bassist Renato Macghetty zu einer Band zusammengetan, deren Ziel die «verunsicherung der schweizer Musikszene» war.
Das «Taschen-Trio» war frisch und unverbraucht und spielte seine «Subito-Gigs» ohne grossen technischen Aufwand auf der Strasse, in Kneipen, Cafés und Jugendzentren. Man stellte die Anlage in rekordzeit auf und verschwand ebenso schnell, wenn die Polizei anrückte. Die Zeit war reif für eine Erfrischung: zuerst stieg Radio drs auf Dänus Extremismus ein, dann der Journalist Christian Eggenberger, der mit seinem «Mundartrock-Festival» im berner Kursaal eine Lanze für die Renaissance des Mundartrock brach – nicht ganz ohne Erfolg, wie man nachträglich weiss. Schliesslich erhielten EX-TREM NORMAL auch den Plattenvertrag, für den die rastlosen Liveaktivitäten eigentlich Mittel zum Zweck gewesen waren: «die Liveauftritte waren okay», sagt DÄNU EXTREM, «was für mich aber vor Allem zählte, war die Studioarbeit als Produkt, das immer wieder abrufbar ist.»
«welcome in schwitzerländ» hiess die erste LP, ein respektloses Stück Musik, irgendwo zwischen Rock und Cabaret, ein Billigprodukt mit Hitpotenzial. «Wir wollten Schlager spielen, und heraus kam Punk», sagt DÄNU EXTREM in Anspielung auf die eher limitierten Fähigkeiten der Band, die aber gerade den Charme des Debüts ausmachten. EX-TREM NORMAL spotteten, ohne zu beissen, und sangen in Liedern wie «Warum? (es Bitzli Glück)» über die Sachzwänge des modernen Lebens – ein Song, der seine Aktualität behalten hat. Dass er nicht auf den Segen der berner Szenegötter angewiesen war, betonte EXTREM im Song «Platte mache?»: «I sueche e Platte u lege se uf / em Polo sys Gequassel regt mi uf / i hautes knapp e haubi Stung us / u wünsche mer es gäb mau öppis Neuis.» Genau besehen waren EX-TREM NORMAL aber ziemlich nah bei den Hippies, denen man gern ans Bein pinkelte: man zog mindestens ebenso kräftig an den Joints wie die Altvorderen und legte musikalisch einfach mal los. DÄNU EXTREM liess sich gar als Politiker aufstellen, er kandidierte als «Hugo Niemer» für die damals noch existierende POCH. Dort plädierte er für ein ganzheitliches Bewusstsein, die Dezentralisierung der Macht und spirituelles Wachstum – bei den «Härdlütli« hatte man das auch schon gehört. Der vom «Subito Gig Mänätschmänt» geführte Wahlkampf führte nicht ins Bundeshaus. Oder war das ganze etwa nur ein Gag?
Im Trio lebte es sich nicht spannungsfrei. «Ich war der Diktator», sagt DÄNU EXTREM, «die Demokratie einer Band mit ihren urschweizerischen Kompromissen war mir zu normal. Auf der anderen Seite widerstrebte es mir, als Chef das Arschloch zu spielen.»
1983 lernte EXTREM im Tv-Studio Nina Hagen kennen – es ergab sich ein «Techtelmechtel», weil der Berner nicht in den allgemeinen Bewunderungskanon einstimmte, sondern die Hagen behandelte wie eine Kollegin. Das gefiel dem Star.
DÄNU EXTREM begleitete Nina Nagen auf Tour und rappte mit ihr auf berndeutsch einen Song. «Ich wollte das nicht ausschlachten», sagt er, «und dafür lernen, was es zu lernen gab. Nach einem Konzert in Nyon fragte Hagen im Hotel nach einem Joint. doch das Management blieb hart: ‹es gibt Nichts zu kiffen, du hast heute zwei Songs verpatzt.› Schliesslich mussten wir uns den Joint auf dem Zeltplatz von irgendwelchen Freaks erbetteln. Auch ein Star wie Nina blieb eine Marionette des Managements und der Musikindustrie. Das hiess für mich: lieber im Hintergrund etwas Gutes machen, wo man nicht so exponiert ist.»
Ende der Achtzigerjahre verabschiedete sich DÄNU EXTREM richtung Dänemark. «Ich konnte nie verstehen, wie man zufrieden sein kann damit, ein grosser Hecht im kleinen Teich zu sein», sagt der Weitgereiste. «Ich fand es spannender, als kleiner Fisch im grossen Meer zu schwimmen.» Mit einer professionellen dänischen Big Band war er nun in ganz Europa unterwegs, den tausendsten Gig spielte er Ende 1989 im damaligen Leningrad, wo die Volksdeputierten seine berndeutschen Songs mitgrölten. Vorher hatte er mit dem song «Bern» wieder mal einen zwiespältigen Liebesgruss nach Hause geschickt: «ja si sy so lieb u fründlech z’Bärn / eso ufgstellt u agstellt z’Bärn / si sy so rück- und aständig z’Bärn / nei Bärn, i ha dy nümme gärn.» Doch da waren auch andere Zeilen: «Bärn, o we du my vergissisch, i vergisse dy nie.»
Im Jahr 1990 kehrte DÄNU EXTREM in die Schweiz zurück. Heute lebt er in Basel, wo er das DEXMUSIC Studio betreibt und sich in Subito-Gig-Manier als Konzertveranstalter und Filmproduzent betätigt. Musikalisch ist DÄNU EXTREM immer noch aktiv, eben hat er mit Balts Nill ein Remake von «welcome in schwitzerländ» eingespielt. Und da war sein Beitrag für eine Tribut-CD an Polo Hofer, die es schliesslich nicht aufs fertige Produkt schaffte. Über die Gründe lässt sich nur werweissen. Fest steht, was das einstige Enfant terrible der berner Szene in seiner Reggaeversion des Rumpelstilz-Hits «Muschle» sang: «wen i dr Polo wär, de wär i immer zue.» einfach normal geworden ist DÄNU EXTREM nicht.
Mit freundlicher Genehmigung des Zytgloggen Verlags und des Autoren © Zytgloggen/Berner Zeitung 2009
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